Schimmel und Beurteilung von Wärmebrücken Teil 3:

Anforderungen an Umgebungsbedingungen und Fehlerquellen

Bei Schimmel an Wärmebrücken sind zwei Dinge zu prüfen

Dieser Beitrag baut auf den Beiträgen 1 und 2 dieser Fachinformationsreihe auf. Auch hier geht es um die Feststellung der genauen Ursache für Schimmel an Wärmebrücken in der Wohnung. Im Regelfall geschieht dies durch eine Temperaturmessung an der Wärmebrücke (v.a. Außenecken) und / oder eine Messung der Baufeuchtigkeit. Die Feuchtigkeit einer irgendwie von außen bzw. aus dem Erdreich heraus Feuchtigkeit beziehenden Wand verändert sich im Jahresverlauf eher langsam. Dies liegt an den einigermaßen trägen Feuchtigkeitsdiffusionsverläufen in massiven Bauteilen. Ausnahmen hiervon sind natürlich spontan auftretende Abdichtungsmängel oder Wasserschäden. Ein „Baufeuchtigkeitsproblem“ kann man aufgrund dieser Gegebenheit quasi „jederzeit“ (ganzjährig) durch Messungen festgestellen. Einzige Bedingung ist eine „halbwegs normale“ Niederschlagsverteilung im zeitlichen Vorfeld (gemeint sind Monate).

Anders ist dies bei Kondensfeuchtigkeit als Ursache für Schimmel an Wärmebrücken in der Wohnung: Soll man Wärmebrücken durch Messung der Bauteiltemperaturen beurteilen, muss man diese Prüfungen in der kalten Jahreszeit vornehmen. Den Zeitpunkt einer so genannten „bauphysikalischen Bestandsaufnahme“ bei Kondensfeuchtigkeit als Ursache für Schimmel an Wärmebrücken in der Wohnung muss man dabei sehr gut wählen! Nicht nur das Niveau der Raumbeheizung und die  Innenraumtemperatur bestimmen die Temperatur der Außenwand. Die Wandtemperatur innen ist auch stark von der gerade vorherrschenden Lufttemperatur außen abhängig. Eine Ursachenfeststellung bei Schimmel an Wärmebrücken durch Kondensfeuchtigkeit und eine Beurteilung der Wärmedämmung der Hauswand sind nur in einigermaßen gleichbleibend beheizten Räumen möglich. Worauf noch besonders zu achten ist, soll im Folgenden deutlich gemacht werden.

Fehlerquellen bei der Beurteilung von Schimmel an Wärmebrücken

Folgendes Szenario: Man misst die Temperatur der Wärmebrücke in einem erst kurz vor dem Messtermin beheizten Raum. Die massive Wärmebrücke reagiert eher träge auf die Temperaturveränderung. Die Raumluft reagiert als Gas wesentlich schneller auf die Beheizung. In diesem Zustand wird sich sehr wahrscheinlich ein ungünstigerer, „falsch kleiner Temperaturfaktor“ ƒRsi  ergeben [1] . Die Berechnung des Temperaturfaktors geschieht nach folgender Formel.

Bild 1 Schimmel an Wärmebrücken

Bild 1 Schimmel an Wärmebrücken

Abb. 1: Berechnung des Temperaturfaktors ƒRsi gemäß den Vorgaben der DIN 4108 Teil 2.

Weiteres zum Begriff Temperaturfaktor siehe https://www.advisan.net/ursache-fuer-schimmel-in-der-wohnung-wandtemperatur-an-waermebruecken-messen.

Das heißt anders formuliert, die Wärmedämmung wird zu pessimistisch beurteilt. Die Beurteilung wird jedenfalls schlechter ausfallen, als wenn sich das Gleichgewicht zwischen Wärmeaufnahme und Wärmeverlust in der betreffenden Wärmebrücke vor der Messung bereits eingestellt gehabt hätte.

Gleiches gilt, wenn die Außenlufttemperatur vor dem Haus kurz vor einer Temperaturmessung innen an der Wärmebrücke z.B. durch Sonneneinstrahlung deutlich ansteigt.

Aus beiden Szenarien kann dann ein Gutachten resultieren, das zu dem Schluss kommt, die Wärmebrücke sei nicht gut genug wärmegedämmt. Und es liege deshalb ein Baumangel vor.

Zur Feststellung eines „falsch großen Temperaturfaktors“ (Dämmung zu optimistisch beurteilt) kann es wie folgt kommen: Ein schneller Rückgang der Außentemperaturen kurz vor der Messung hat aufgrund der spezifischen „Massentemperaturträgheit“ (noch) nicht derart auf die bemessene Wärmebrücke „durchgeschlagen“, wie bei längerer (Kalt-) Temperaturexposition. Die momentan messbare (tiefe) Außentemperatur geht aber unkorrigiert in die Berechnung des Temperaturfaktors ein. Aus diesem Fehler kann dann ein Gutachten resultieren, das besagt, dass die Wärmebrücke ausreichend wärmegedämmt ist. Und in der Konsequenz falsches Heizen und Lüften vorliegt.

Fehlerminimierung und Fehlervermeidung

Eine Feststellung einer „zu hohen“ – oder vielleicht besser ausgedrückt- „falsch hoch gemessenen“ Bauteiltemperatur bei Schimmel an Wärmebrücken ist auch bei einem weiteren Szenario möglich: Etwa so, wenn die Heizung, kurz bevor eine messtechnische Bestandsaufnahme in der betreffenden Wohnung stattfindet, deutlich herunter geregelt wird. Ob dies geschehen ist, kann man als Gutachter aber vergleichsweise leicht feststellen. Beispielsweise durch einen Vergleich der Temperaturmesswerte an innen liegenden Wänden und in der Raumluft.

Was hier deutlich gemacht werden soll: Messungen bei Schimmel an Wärembrücken sollten eigentlich das Ziel verfolgen, einer Ursache für Schimmel an Wärmebrücken in der Wohnung genau auf den Grund zu gehen. Und anhand der Ergebnisse geeignete und angemessene Maßnahmen zur Problemlösung zu finden. Stattdessen aber kann das Außerachtlassen wichtiger Einflussfaktoren leicht folgenschwere Fehlschlüsse provozieren. Diese können einen langen, anstrengenden und kostenbehafteten Mietrechtsstreit über die Ursache für Schimmel an Wärmebrücken heraufbeschwören.

Bei einer Kondensationsproblematik kann man gravierendere Fehler bei der Temperaturmessung an Wärmebrücken erfahrungsgemäß wie folgt vermeiden. Der Verfasser, ö.b.u.v. Gutachter für Schimmel in Hannover, versucht ersteinmal, die Bestandsaufnahme auf eine Zeit mit geringen Temperaturunterschieden nachts und tagsüber zu legen. In diesem Zusammenhang kann es selbstredend erforderlich sein, einen Messtermin am (vielleicht unbequemen) frühen Morgen nach einer Nacht mit möglichst gleichbleibenden Frosttemperaturen stattfinden zu lassen. Dann kann der Gutachter ziemlich sicher davon ausgehen, dass sich die Außenwand einem Temperaturgleichgewicht angenähert hat oder dieses bereits eingestellt ist. Darüber hinaus sind natürlich die richtige Wahl des Messequipments und die genaue Kenntnis der Geräteeigenschaften unverzichtbare Elemente zum Erhalt belastbaren Messdatenmaterials (siehe auch https://www.advisan.net/schimmel-ursachen-finden/)

Das Prinzip der Datenloggermessung

Wenn der Gutachter absolut sicherstellen will, dass der Temperaturfaktor und der Dämmwert der Wand bei Schimmel an Wärmebrücken zur „richtigen Zeit“ bestimmt werden (das heißt: Temperaturkonstanz a) bei der Innenraumluft, b) bei der Wand und c) außen vor dem Haus), muss er theoretisch folgende Bedingungen exakt erfüllen:

Erstens muss er die Raumlufttemperatur messen und zweitens die Wandtemperatur in den zu beurteilenden Räumlichkeiten bestimmen. Zum dritten, und parallel zu beidem anderem, muss ihm die Temperatur der Außenluft vor dem Gebäude bekannt sein. Die Verläufe der Temperaturen an allen drei vorgenannten Punkten müssen mit Datenloggern für mindestens etwa 1 bis 2 Wochen aufgezeichnet werden. Die (vermeintlich) optimalen Betrachtungszeiträume muss der Gutachter am Ende zur Bestimmung von ƒRsi aus den Temperaturverlaufskurven herausnehmen und den „Dämmwert“ berechnen.

Das ganze Procedere ist sehr aufwändig und natürlich stark kostenbehaftet. Datenloggermessungen sollten nach den Erfahrungen einen Betrachtungszeitraum von mindestens 7 bis 14 Tagen abdecken.

Die Ergebnisse eigener systematischer Untersuchungen an massiven Bauteilen (z.B. Mauerwerk, Betonwand) besagen nun aber Folgendes: Die Temperaturfaktorbestimmung bei Schimmel an Wärmebrücken anhand eines Datenloggings und gemittelter Langzeitmesswerte hat viele unvermeidbare und sich erheblich auf das Messergebnis auswirkende Fehler. Besonders groß fallen die Messfehler bei stark schwankenden Außentemperaturen aus. Wie kommt das?

Wärmeenergieaufnahme und -abgabe der Außenwand

Stellen Sie sich eine beschattete Wärmebrücke, konkret eine Ziegelaußenwand eines Altbtbaus von 1960, bei sonniger Wetterlage im Winter vor. Bei einem spontanen Temperaturanstieg außen (z.B. von -5°C nachts auf +10°C im Schatten nach Sonnenaufgang) benötigt die Wand Stunden, bis Wärmeenergie die „in der Wand gespeicherte Nachtkälte“ wieder verdrängt hat. Die Wärmeenergie stammt in diesem Falle hauptsächlich von innen. Der Heizkörper führt sie der Wand zu. Unter der Voraussetzung einer immer gleichbleibenden Innenraumtemperatur (z.B. 20°C) wird ersteinmal ein „falsch niedriger“ Temperaturfaktor („schlechter Dämmwert“) messbar sein. Und zwar genau so lange, bis das Temperaturgleichgewicht Innenraumluft-Wand-Außenbereich erreicht ist. Dies kann freilich einige Stunden dauern.

Im umgekehrten Fall des spontanen Absinkens der Außentemperatur z.B. von +10°C auf -5°C indes misst man eine bestimmte Zeit einen „falsch großen“ ƒRsi. Und zwar so lange, bis sich die Abgabe der „im Bauteil noch gespeicherten Wärmeenergie“ vollzogen hat.

Dies soll die folgende Diagrammabbildung verdeutlichen. Hier wurden die Innentemperatur der Wärmebrücke, die Raumlufttemperatur und die Außentemperatur kontinuierlich gemessen. Die grüne Kurve zeigt den zu jeder Einzelmessung gehörenden Temperaturfaktor (d.h. „Dämmwert“) der Wand an. Die Schwankungen im Tagesverlauf sind enorm.

Bild 2 Schimmel an Wärmebrücken

Bild 2 Schimmel an Wärmebrücken

Abb.2: Veränderungen des Temperaturfaktors im Tagesverlauf bei Messung der Wandtemperatur mit dem Datenloggerverfahren

Die Konsequenzen daraus bei Schimmel an Wärmebrücken

Von großer Bedeutung in diesem Zusammenhang ist dabei folgendes: Im Tagesverlauf schnell vonstattengehende Außentemperaturanstiege beobachtet man weitaus häufiger als spontane Außentemperatureinbrüche. Weil sie meistens mit dem Sonnenaufgang einhergehen und sich die Luft außen durch Sonnenstrahlen dann recht schnell erwärmt. Die Erdoberfläche speichert Wärmeenergie über den Tag und kühlt nach Sonnenuntergang deshalb auch langsamer aus. Absehbare Zeit „falsch kleine“ ƒRsi treten deshalb häufiger auf als zeitweise „falsch große“ Temperaturfaktoren. Diese Gegebenheit kann bei Schimmel an Wärmebrücken und der Bestimmung von ƒRsi mittels Datenloggermessungen erhebliche Auswirkungen auf das Messergebnis haben! Besonders dann, wenn man den Temperaturfaktor dabei schlicht anhand einer Mittelung des gesamten Langzeit-Messdatenkollektivs errechnet. Das heißt so, wie es derzeit üblich ist.

An einer durchgängig gleichbeheizten Wärmebrücke, deren (wahrer) ƒRsi von 0,69 feststeht, kam der Verfasser dieses Beitrags bei eigenen Datenloggermessungen wiederholt zu Durchschnitts-Temperaturfaktoren (Messzeitraum: jeweils 19 Tage) von 0,65! Dies allein bedingt durch die großen Schwankungen der Außentemperatur…

Bild 3 Schimmel an Wärmebrücken

Bild 3 Schimmel an Wärmebrücken

Abb.3: Sieben Bestimmungen des Temperaturfaktors für ein- und dieselbe Wärmebrücke mit dem Datenloggerverfahren über jeweils 19 Tage. Aufgetragen ist der Temperaturfaktor (Abszisse) gegen die Varianz der Außentemperatur im Messzeitraum (Ordinate).

Fehler Sonneneinstrahlung

Es ist allgemein bekannt, dass die Sonneneinstrahlung einen erheblichen Einfluss auf die momentane Bauteiltemperatur haben kann. Sie wirkt wie eine zweite Heizung, eine innen, eine außen. Die Sonnenbestrahlung birgt ebenfalls beträchtliches Fehlerpotenzial bei der Temperaturfaktorbestimmung bei Schimmel an Wärmebrücken. Genau genommen sind fachgerechte Datenloggerbemessungen nur an solchen Wärmebrücken möglich, bei denen ausgeschlossen ist, dass sie im Bemessungszeitraum in relevantem Maße sonnenbeschienen sind (z.B. Nordseiten). Andernfalls muss der Gutachter irgendeine Kontrolle für Sonneneinstrahlung eeinrichten. Darüber hinaus muss er die Möglichkeit schaffen, die Strahlung im gegebenen Fall hinsichtlich ihrer Relevanz für die Bauteil-Kerntemperatur zu beurteilen. So dass er die entsprechenden Zeitfenster (Erwärmung des Bauteils von außen her) aus den Betrachtungszeiträumen wieder herausnehmen kann.

Schlussfolgerung

Nach meiner festen Überzeugung sind die Schwierigkeiten sachgerechter Messdatenaufnahmen mit Datenloggern im Zusammenhang mit Schimmel an Wärmebrücken und dem Temperaturfaktor ƒRsi nicht zu unterschätzen. Das gesamte Fehlerpotenzial der „Loggermethode“ würde ich definitiv nicht geringer beziffern als bei den in der Fundamentalwissenschaft wenig geliebten stichpunkthaften Bauteilbetrachtungen, sofern diese Stichpunktmessungen eine durchdachte Konzeprion aufzubieten haben (ich nenne dies „fachlich qualifizierte 1-Punkt-Bauteiltemperaturbetrachtung“).

Nach den Erfahrungen des Unterzeichners ist übrigens selbst mit dem Datenloggerverfahren auch bei „voll gelungenen“ Messungen (das heißt, die Fehler konnten minimiert werden) eine Beantwortung aller Fragen ohne Restunsicherheiten bzw. Einschränkungen nicht immer möglich. Beispielsweise wenn die Bestandsaufnahme bei Schimmel an Wärmebrücken Folgendes ergibt:

  1. Die Anforderungen an den Temperaturfaktor der DIN 4108 Teil 2 sind knapp nicht erfüllt
  2. Das festgestellte Temperaturdefizit erklärt sich aus der vorhandenen Möblierung oder der einrichtungstechnischen Konstellation wie z.B. großen Vorhänge in Außenecken

Die Frage ist: Würde der Vorgabewert an den Temperaturfaktor ƒRsi im Falle einer günstigeren Einrichtungskonstellation eingehalten werden können?

In diesem Falle könnte der Gutachter hilfsweise Berechnungen der (theoretischen) Wandoberflächentemperaturen anhand von Wärmedurchlasskoeffizienten vornehmen. Solche Berechnungen gelingen aber nur dann, wenn der gesamte Wandaufbau von innen nach außen bis ins kleinste Detail bekannt ist. Andernfalls sind bei Bauteiltemperaturberechnungen beträchtliche Fehler möglich.

Anmerkung: Der Autor ist promovierter Mikrobiologe und bei der IHK Hannover Öffentlich bestellt und vereidigt als Sachverständiger für Schimmelpilze und Feuchtigkeit in Innenräumen und als Gutachter in Hannover und Niedersachsen tätig.

[1] ANONYM (2003): DIN 4108 – Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden. Teil 2: Mindestanforderungen an den Wärmeschutz. 2013-02.